Unter einer Volkswirtschaft versteht man die wirtschaftliche Betätigung aller Wirtschaftseinheiten in einem Wirtschaftsgebiet und deren Wechselwirkungen.
Zentrale Punkte bei der Betrachtung einer Volkswirtschaft sind die Fragen nach:
- Ihrer Leistung (Bruttoinlandsprodukt, Volkseinkommen)
- Verteilung (Einkommensverteilung)
- Preisentwicklung
- Struktur
- Grad ihrer Beschäftigung (Arbeitslosigkeit)
- Offenheit (Außenhandel)
Volkswirtschaftliche Kennzahl (Bruttoinlandsprodukt – BIP)
- Wert aller im Inland einer Volkswirtschaft erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes soweit sie gegen Entgelt hergestellt bzw. erbracht wurden.
- Das Bruttoinlandsprodukt ist eine wichtige Maßeinheit für die wirtschaftliche Leistung einer Nation.
- BIP-Daten der letzten zwei Quartale werden in der Regel als vorläufige Schätzungen ausgewiesen und unterliegen oft heftigen Revisionen.
- Die tatsächliche wirtschaftliche Leistung wird durch das reale BIP dargestellt (= nominales BIP bereinigt um Preiseffekte). Die Differenz wird auch als BIP-Deflator (Maß der gesamtwirtschaftlichen Preisentwicklung) bezeichnet.
Wenngleich die BIP-Zahlen wichtig sind und ihnen auch die entsprechende Beachtung zuteil wird, reagieren die Finanzmärkte kaum bei der Veröffentlichung. Ihre Entwicklung wird durch Vorlaufindikatoren in der Regel vorweg genommen. Größere Marktreaktionen sind zu beobachten, wenn die BIP-Zahlen völlig überraschend ausfallen.
Volkswirtschaftliche Indikatoren
- Frühindikator (auch vorlaufende oder vorauseilende Indikatoren)
geben Hinweise auf die zukünftige Entwicklung der Wirtschaftslage - Gegenwartsindikator (auch gleichlaufende oder Ist-Indikatoren)
zeigen die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung - Spätindikator (auch nachlaufende oder nachhinkende Indikatoren)
zeigen an wie sich die Wirtschaft in der Vergangenheit entwickelt hat - Sonstige Indikatoren
Beispiel Frühindikator: Composite Index of Leading Economic Indicators (LEI)
Wird monatlich vom Conference Board mit einem Monat Verzögerung veröffentlicht.
Dieser Index setzt sich aus zehn Finanzmarkt- und Realwirtschaftsindikatoren zusammen, die in einem Gesamtindex mit dem Grundwert von 1996 (1996= 100) aggregiert werden. Der LEI eignet sich gut für die Prognose des Konjunkturzyklus. Veröffentlicht wird die monatliche Veränderung des Gesamtindex. Die zehn gleich gewichteten Indikatoren sind:
Teilkomponenten des LEI
Realwirtschaftliche Indikatoren | Finanzmarkt/Erwartungen |
---|---|
Durchschnittliche Arbeitswochenzeit Industrie | Aktienkurse |
Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung | Reales Geldmengenwachstum (M2) |
Dauer der Zulieferzeiten | Veränderung der Renditekurve |
Baugenehmigungen | Konsumentenvertrauen |
Neuaufträge (real) für Konsumgüter | |
Neuaufträge (real) in der Industrie |
Beispiel Gegenwartsindikator: New Initial Claims (Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung)
Dieser Indikator wird monatlich vom Department of Labour mit fünf Tagen Verzögerung publiziert.
Es wird die Anzahl der Menschen ausgewiesen, die erstmals Ansprüche bei der staatlichen Arbeitslosenversicherung stellen. Bedingt durch die hohe Volatilität der wöchentlichen Zahlen, wird auch der 4-Wochen-Durchschnitt veröffentlicht. Da die Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung aber ein guter Indikator für die Beschäftigungssituation sind, wird dieser auch vom Conference Board, im Leading Economic Indicator (siehe oben) verwendet.
Beispiel Spätindikator: Insolvenzen
Die Anzahl der Insolvenzen lässt sich keiner klassischen Zielgröße der Wirtschaftspolitik zuordnen, ist aber als Indikator für die Wirtschaftslage von Bedeutung. Er gibt wichtige, allerdings verspätete, Hinweise auf die konjunkturelle Entwicklung.
Sind im Verlaufe eines bestimmten Zeitraums viele Unternehmen zahlungsunfähig, hat das nachhaltige Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Neben den Schäden für Kreditgeber und Lieferanten müssen bei der Betrachtung des anfallenden volkswirtschaftlichen Schadens auch die Beschäftigten insolventer Unternehmen berücksichtigt werden.
Beispiel Sonstige Indikatoren: S&P/Case-Shiller Hauspreis Index
Dieser Index wird monatlich von Standard & Poor´s mit zwei Monaten Verzögerung veröffentlicht.
Der S&P/Case-Shiller Composite 10 Index drückt die Preisentwicklung von Einfamilienhäusern in zehn Städten (Boston, Chicago, Denver, Los Angeles, Miami, New York, San Diego, San Francisco und Washington DC) aus. Der S&P/Case-Shiller Composite 20 Index beinhaltet zehn zusätzliche Metropolen.
An den Finanzmärkten findet der Case-Shiller Index große Beachtung, da er einen vergleichsweise aktuellen Einblick in die Preisentwicklung an den Immobilienmärkten gibt. Entsprechend positive oder negative Werte können deshalb zu deutlichen Bewegungen am Anleihenmarkt führen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Anleihenmarkt für die Entwicklung des Immobilienmarktes sensibilisiert ist.
Autor
Mag. (FH) Günther Kornfellner, CFA, CAIA
Börsenhändler
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