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Nur wenig Euphorie wegen Mercosur

Christian Sec | Börsen-Kurier

Die Auswirkungen eines Freihandelsabkommens sind für große Konzerne überschaubar.

Im Dezember haben die Europäische Union und die vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay die langjährigen Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen erfolgreich abgeschlossen. In den nächsten Monaten wird es sich weisen, ob das Abkommen als „EU-only“ eingestuft wird, was bedeutet, dass die alleinige Zuständigkeit für die Ratifizierung des Abkommens bei der EU liegt. Jedenfalls war ursprünglich geplant, den üblichen Weg einzuschlagen, die Ratifizierung den nationalen Parlamenten innerhalb der EU zu überlassen.

Während nun also Anwaltskanzleien über diesem Abkommen brüten, um über die weitere politische Vorgehensweise zu debattieren, sieht die Industriellenvereinigung (IV) den Abschluss der Verhandlungen als historische Einigung. 91 % der Zölle auf europäische Exporte in die Region sollen durch das Abkommen abgebaut werden. Laut EU-Kommission würde das den EU-Unternehmen jährliche Einsparungen von 4 Milliarden Euro bringen.

Geringe Auswirkung

Die großen börsennotierten Industrieunternehmen selbst sehen das Mercosur-Abkommen nicht ganz so euphorisch, wie eine Umfrage des Börsen-Kurier-Partners Interessenverband für Anleger (IVA) anlässlich der Hauptversammlungen 2024 ergab. Die großen Betriebe sind meist schon mit Produktionsstätten in Südamerika aktiv und nutzen gleichzeitig Südamerika als Absatzmarkt und sind daher nicht so sehr von Zöllen betroffen.

Die Voestalpine hat im Geschäftsjahr 2023/24 rund 4 % des Konzernumsatzes aus Ländern in Südamerika erwirtschaftet. Diese wurden überwiegend von Voestalpine-Standorten in Südamerika umgesetzt. Nur ein überschaubarer Teil der Geschäftstätigkeit am südamerikanischen Kontinent erfolgte aufgrund von Exporten von europäischen Voestalpine-Standorten, erklärt der Konzern in der Umfrage. Umgekehrt wurden Lieferungen von Standorten der Voestalpine in Südamerika nach Europa nur in einem geringen Ausmaß getätigt. Demzufolge ist die Voestalpine direkt nur vereinzelt vom Mercosur-Abkommen betroffen.

Auch Palfinger, das rund 5 % des Umsatzes in Südamerika erwirtschaftet, würde von den wegfallenden Zöllen wenig profitieren, weil der Konzern die Strategie verfolgt, in der Region für die Region zu produzieren (Local-for-Local). Jedoch würde ein Abschluss Palfinger insofern zugutekommen, als damit bessere Rahmenbedingungen für Investitionen und Kooperationen in Mercosur-Staaten die regionale Produktion und Rohstoffbeschaffung erleichtern würden, was sich positiv auf die globale Lieferkette auswirken sollte, wie CEO Andreas Klauser auf Anfrage des Börsen-Kurier erklärt.

Ähnliches gilt für Kapsch TrafficCom. Südamerika ist ein wichtiger Markt für den Mautsystementwickler, vor allem als Wachstumsmarkt. Jedoch hat das Mercosur-Abkommen für den Konzern nur bedingt Auswirkungen, da der Großteil der Wertschöpfungskette innerhalb der Region stattfindet, so das Unternehmen uns gegenüber.

Positive Effekte hätte der Zollabbau für den Maschinenbauer Andritz. So meint dieser bei der IVA-Umfrage, dass die Zollerleichterungen die Exporte von Maschinen und Komponenten für Projekte in die Mercosur-Staaten günstiger machen.

Der Holzfaserproduzent Lenzing sieht sich in dieser Umfrage kaum betroffen von dem Abkommen. Auch der Baustoffproduzent Wienerberger hat derzeit keine laufenden Geschäftsaktivitäten in Südamerika und sah die Auswirkungen im vergangenen Jahr noch als nicht wesentlich an. Der Chip- und Sensorikkonzern ams Osram ist zwar in den Mercosur-Staaten geschäftlich tätig, allerdings spielen diese Märkte für den Gesamtumsatz eine untergeordnete Rolle, wie man gegenüber dem Börsen-Kurier erklärt. So hätte eine endgültige Ratifizierung des Abkommens keine nennenswerten Auswirkungen auf das Geschäft des Konzerns.

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