Seit Jahresbeginn führt der Optimismus für einen anhaltenden Inflationsrückgang zu Kursanstiegen bei Aktien und Anleihen sowie einen schwächeren US-Dollar. Das ist ein Spiegelbild vom vergangenen Jahr. Dafür sind vor allem die nachlassenden Effekte der beiden negativen Schocks zum einem die Pandemie (fallende Güterpreise) und zum anderen Ukraine–Krieg (fallende Energiepreise) verantwortlich. Niedrigere Inflation bedeutet weniger restriktive Geldpolitiken und einen geringeren Kaufkraftverlust. Beide Punkte sind positiv für das reale Wirtschaftswachstum. In aktuellen Analysen prognostizieren die Experten keine Rezession in der Eurozone mehr, nachdem sich die Wirtschaft Ende 2022 als widerstandsfähiger als angenommen erwiesen hat. Während für die USA aktuell noch von einer „milden“ Rezession im zweiten Halbjahr ausgegangen wird. Wichtige Frage hierbei lauten, wie sich der Arbeitsmarkt und der Konsum entwickeln. Verbraucherausgaben repräsentieren rund zwei Drittel der amerikanischen Volkswirtschaft und spielen damit eine größere Rolle als in den meisten Ländern.
Bereits den fünften Monat in Folge entwickelten sich die europäischen Aktienmärkte besser als die US-Börsen. Zur Zeit befinden sich die Unternehmen wieder in der Berichtsaison. Aktuell haben ca. 40 % der Unternehmen aus dem S&P 500 ihre Ergebnisse für das 4. Quartal 2022 verlautbart und lagen zu etwa 66 % über den Erwartungen. Wobei Unternehmen, die auf den US-Markt und auf Wachstum fokussiert sind, höhere Zuwächse als exportorientierte und Value-Unternehmen erzielten. In Europa werden nach den besser als erwarteten Ergebnissteigerungen in den Vor-Quartalen, abschwächende Unternehmensdaten erwartet.
In diesem Umfeld entwickelte sich der ATX Index im Gleichklang mit den internationalen positiven Börsenumfeld. Vor allem Zykliker (Wienerberger, voestalpine, Lenzing) und Banken (Erste Group, Bawag Groug) zeigten stark positive Entwicklungen. Neben Berichtssaison dominieren Themen wie Teilübernahmeangebot für den Flughafen.
Zusätzlicher starker Rückenwind kommt jüngst aus China. Die unerwartet schnelle Abkehr von der Nulltoleranzpolitik gegenüber Neuinfektionen und die selektiven Unterstützungsmaßnahmen für den Immobiliensektor sprechen für eine V-förmige (schnelle) wirtschaftliche Erholung im ersten Halbjahr. Die Wiedereröffnung Chinas könnte das globale Wachstum unterstützen.
Solange der Optimismus für anhaltend fallende Inflationsraten die Wachstumsbefürchtungen dominiert, bleibt das Umfeld für risikobehaftete Wertpapierklassen wie Aktien – unter sonst gleichen Bedingungen – konstruktiv.
Autorin:
Gabriela Tinti, CPM
Erste Asset Management GmbH – Member of Erste Group
Head of Desk Equities AT
1. Februar 2023
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