Die deutliche Verschlechterung der geopolitischen Sicherheitslage sowie ein weiterer Sprung in den Rohstoffpreisen führten im Verlauf des 1. Quartals 2022 zu einem Anstieg der Risikoaversion an den Kapitalmärkten.
Nach der Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine mussten globale Aktienmärkte Verluste hinnehmen. Das Ausmaß der Kursrückgänge war recht einheitlich über die Regionen verteilt. Zyklische Indizes wie der DAX und der ATX fielen allerdings besonders stark.
Öl profitierte von dem Konflikt, da von der militärischen Auseinandersetzung eine niedrigere Produktion erwartet wird. Aus ähnlichen Gründen konnten auch Rohstoffe Gewinne verbuchen. Politische Bemühungen, Länder wie Iran oder Venezuela wieder in den Produktionszyklus zu holen, waren noch nicht erfolgreich.
Bekämpfung der hohen Inflation
Die Inflationsraten waren im Monat Februar vielfach höher als erwartet (OECD-Raum: 7,7% im Jahresabstand). Den stärksten Anstieg verzeichneten die Energiepreise. Die Inflation bei den Nahrungsmittelpreisen ebenso beachtlich. Es ist bemerkenswert, dass auch die Kerninflation (ohne Nahrungsmittel und Energie) kräftig war. Die hohen Kerninflationsraten sind ein wichtiges Argument für die Zentralbanken in den entwickelten Volkswirtschaften, den Zinsanhebungszyklus vorzuverlegen bzw. zu beschleunigen. Mit dem Krieg in der Ukraine sind die Rohstoffpreise weiter angestiegen. Vor allem deshalb weisen die ersten Inflationsberichte für März weitere Inflationsanstiege auf (Deutschland: 2,5% im Monatsabstand / 7,6% im Jahresabstand). Die Inflationsraten könnten in den kommenden Monaten weiter nach oben klettern. Darauf deutet auch der vorläufige Einkaufsmanagerindex für März hin: Die Verkaufspreise der Unternehmen sind im März weiter angestiegen. Auch die Inflationserwartungen der Konsumenten steigen an. Das Risiko von Sekundärrundeneffekten ist umso größter, je niedriger die Arbeitslosenrate ist (im OECD-Raum niedrig bei 5,3%) und desto stärker die Wirtschaft wächst (desto weniger stark die Wirtschaft vom Krieg in der Ukraine beeinträchtigt wird).
Druck auf Notenbanken nimmt zu
Aus Marktsicht war das wichtigste Ereignis in der letzten Zeit der weitere Anstieg der im Markt gepreisten Leitzinsanhebungserwartungen in den USA. Mittlerweile ist für Dezember 2022 ein Leitzinssatz von knapp 2,5% eingepreist, für Dezember 2023 ein Zinssatz von knapp 3%.
Ausschlaggebend dafür war eine Rede von Fed-Chairman Powell mit dem Titel „Wiederherstellung der Preisstabilität“. Inhaltlich war wenig neu, aber der Ton war noch kämpferischer als die Pressekonferenz des Offenmarktausschusses ein paar Tage davor. In der Rede wurde der Arbeitsmarkt als sehr stark und die Inflation als viel zu hoch beschrieben. Die Beantwortung dreier selbst gestellter Fragen war klar „hawkish“ (hawk, engl. Falke), also in einem kämpferischen Ton auf die Erreichung des Inflationsziels ausgerichtet.
Viele Verlierer – wenige Gewinner
Gegen den allgemeinen Trend konnten sich – abgesehen von den Rohstoffen – lediglich folgende Anlageklassen stemmen: inflationsgeschützte US-Staatsanleihen, chinesische Staatsanleihen und Gold. Somit zeigt sich auch seit Jahresbeginn ein Bild, das recht kompakt zusammengefasst werden kann: Bis auf Rohstoffe, Gold und chinesische Staatsanleihen sind alle Anlageklassen deutlich im Minus.
Aktienmärkte werden derzeit neutral beurteilt. Aufgrund der Währungsentwicklung werden Schwellenländeranleihen in Lokalwährung positiv gesehen, Hochzinsanleihen in den USA wegen der bereits attraktiveren Renditeniveaus. Wir bleiben bei einer weiterhin vorsichtigen Einschätzung für Staatsanleihen der entwickelten Welt (Zinsänderungsrisiko) und einer neutralen Einstufung von Investment Grade Unternehmensanleihen.
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Autor:
Paul Severin
Mitglied Vorstand ÖVFA
Head of Communications Erste Asset Management
5. April 2022
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