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Marktanalyse: Die Aktienmärkte 2025 im Zeichen von Trump & Co.

Helge Rechberger

Mit Donald Trump und republikanischen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und Senat haben die Aktienmärkte vorerst das bekommen, was sie wollten. Die Erstreaktion an der Wall Street war euphorisch. Die Geschichte legt nahe: Die Rally könnte bis zum Jahresende anhalten. Statistisch gesehen goutieren Börsen die Planungssicherheit nach US-Präsidentschaftswahlen mit teils kräftigen Aufschlägen. Darüber hinaus wird es diffizil. Das globale Konjunkturbild ist nämlich so heterogen wie selten zuvor. Während in den USA der Konjunkturmotor brummt, bekommen Europa und China den Sand nicht aus dem Getriebe. Zwar gilt für Aktienmärkte, moderates Wachstum ist besser als gar kein Wachstum. Im Hinblick auf die geografische Allokation spricht jedoch alles für die USA. Es steht außer Frage, dass sich die Bewertungen jenseits des Atlantiks mittlerweile auf Niveaus befinden, wie wir sie seit Dotcom-Zeiten nicht mehr gesehen haben. Ebenso ist zu betonen, dass mit zunehmender Multiple-Expansion auch eine zunehmende Fragilität der Aktienmärkte einhergeht.

Während dieser Umstand allen voran das langfristige Ertragspotenzial an den Aktienbörsen mindert, denken wir jedoch, dass der fiskalische Stimulus der Trump'schen Agenden die ambitionierten US-Bewertungen vorerst überwiegt und eine Verlängerung des Wachstums- und Finanzzyklus bevorsteht. Die angepeilte Körperschaftssteuersenkung von 21 % auf 15 % sollte in Kombination mit Deregulierungsmaßnahmen und dem weiter anhaltenden KI-Schub die Gewinndynamik Corporate Americas weiter beschleunigen.

Die Fiskalpolitik hat auf diverse US-Sektoren zwar höchst unterschiedliche Effekte, im Aggregat kann für den S&P 500 jedoch von einem zusätzlichen steuerbedingten Schub auf den Gewinn pro Aktie in der Höhe von 5 % ausgegangen werden. Wir erwarten eine Verbreiterung der Marktentwicklung und einen stärkeren Fokus auf das Value-Segment. Im Einklang damit sollten auch Unternehmen aus dem amerikanischen Small- und Mid-Cap-Bereich Rückenwind erhalten. Diese würden aufgrund ihres geringeren Grades an Internationalisierung und der dadurch höheren effektiven Steuerlast überproportional von der Senkung einer solchen profitieren. Darüber hinaus sind geringer kapitalisierte Unternehmen in der Regel mit höheren Kapitalkosten konfrontiert. Eine Reduktion der meist variablen Zinsbelastung durch das erwartete tendenzielle Absenken des kurzen Endes der Zinskurve spielt dem Segment somit zusätzlich in die Karten.

Für Europa gestaltet sich die Lage schwieriger. Nicht nur, dass die Wachstumsaussichten deutlich verhaltener sind, das America First Prinzip lässt vermuten, dass das Headline-/Newsflow-Risiko für Europas Börsen zunimmt. Die Kombination aus harten Worten, dem Damoklesschwert Handelszölle und globalen Konjunkturrisiken sollte das Aufwärtspotenzial begrenzen. Dies gilt auch für den heimischen ATX, wo die Bewertungslücke zum europäischen Aktienmarkt zwar jüngst kleiner wurde, im Vergleich zur europäischen Unternehmenslandschaft haben die ATX-Konzerne jedoch mit noch weniger Gewinnwachstum zu kämpfen.

Es sei jedoch angemerkt, dass potenzielle fiskalpolitische Interventionen innerhalb Europas nicht ausgeschlossen sind. So würde ein mögliches Stimuluspaket für die schwächelnde deutsche Konjunktur oder ein Rettungspaket für die unter die Räder gekommene Automobilbranche einen bedeutenden Schub für Aktien im Automotivsektor und der Zulieferindustrie auslösen. Deren Gewicht in namhaften Indizes wie dem DAX ist mit 20 % zwar mittlerweile historisch gering. Oftmals sind es aber genau solche Katalysatoren, die einer vermeintlichen Value-Trap, wie es der Automobilsektor seit längerem ist, zu neuem Wachstum verhelfen und damit auch den Gesamtmarkt stützen.

Die Upside-Szenarien für Europa sind jedoch von erheblichen Unsicherheiten geprägt. In unserem Basisszenario messen wir daher den amerikanischen Börsen ein attraktiveres Chancen-/Risikoverhältnis bei, sodass wir auf die kommenden 12M ein Übergewicht von US-Aktien gegenüber europäischen empfehlen.


Autor:
Mag. Helge Rechberger, CEFA
Senior Aktienmarktanalyst
Raiffeisen Research / Raiffeisen Bank International
13. Jänner 2025

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