Die Zeichen standen zu Beginn des letzten Monats nicht gerade gut: Die Covid-Fälle in Europa und den USA nahmen wieder drastische Ausmaße an, was die Regierungen zu weiteren einschneidenden Maßnahmen zwang. Auch die Unsicherheit um die US-Wahl drückte auf die Stimmung, immerhin war bei manchen Kommentatoren von „bürgerkriegsartigen Zuständen“ die Rede...
Eine alte Börsenweisheit besagt jedoch, dass gerade, wenn der Ausblick am schwierigsten ist, man sich die Fragen stellen sollte: „Was kommt als Nächstes? Wie schlimm kann es noch werden?“. Oft reicht dann schon eine kleine Verbesserung der Situation, um den Märkten wieder Flügel zu verleihen. Denn: wenn jeder, der verkaufen wollte schon verkauft hat, wer bleibt dann noch über, um die Preise weiter runter zu drücken? Manchmal kommt dann auch noch eine positive Nachricht, geradezu wie aus dem Nichts, die die Stimmung an der Börse kippen lässt. Diesmal war es die fantastische Nachricht des US-Pharmakonzerns Pfizer, dass sein Covid-Impfstoff eine Effektivität von über 90% aufweist (deutlich über der Effektivität einer „klassischen“ Grippeimpfung von ca. 50-60%). Damit gab es erstmals die Hoffnung, dass der ganze Covid-Spuk ein Ablaufdatum haben könnte und wir wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehren können (wie auch immer diese dann aussieht). Die größten Profiteure dieses Stimmungswandels waren die zyklischen Firmen wie Banken, Ölwerte und Autozulieferer sowie natürlich die Tourismusindustrie, die besonders unter der aktuellen Situation leiden. Wenn Ihnen nun einige heimische Firmen einfallen, die unter diese Kategorien fallen, ist dies nicht wirklich verwunderlich, der österreichische Aktienmarkt ist dominiert von diesen Zyklikern, die eine starke Wirtschaft brauchen, um ihr Geschäft anzukurbeln. Damit wurde der heimische Markt praktisch über Nacht vom internationalen Sorgenkind zu einem Musterschüler, ein deutlicher Anstieg im November ist da schon mal ein guter Anfang.
Natürlich könnte man jetzt meinen, dass die Märkte hier die Verbesserung der Situation schon eingepreist haben. In Wahrheit ist dies aber unwahrscheinlich, denn im Vergleich zu anderen internationalen Indizes hinkt der ATX trotz der guten Entwicklung des letzten Monats noch immer deutlich nach. Sollte sich die wirtschaftliche Erholung bestätigen, könnte uns der heimische Markt auch im nächsten Jahr viel Freude machen. Nach dem Seuchenjahr 2020 können wir alle ein bisschen Hoffnung ganz gut gebrauchen…
Autor:
Mag. Bernhard Haas, Senior Fund Manager, Erste Asset Management GmbH
30. November 2020
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