Die 2022 eingeleitete geldpolitische Straffung ändert bis jetzt noch nichts daran, dass die Realzinsen der Eurozone negativ sind und Aktien als Sachwerte im Hochinflationsumfeld zumindest so lange attraktiv sind, wie die gelisteten Unternehmen in der Lage sind, Kostensteigerungen an ihre Abnehmer weiterzugeben. In den ersten Handelswochen ermöglichte das eine Kursrallye, die im Februar aber deutlich an Schwung verlor.
Zwar war in der Eurozone Anfang des Jahres die Teuerung leicht zurückgegangen, vorauslaufende Indikatoren und diverse Lohnabschlüsse deuteten aber darauf hin, dass der Rückgang sich nur langsam und zunächst ausschließlich von Basiseffekten getrieben fortsetzen dürfte. War das geldpolitische Statement der EZB nach der Anhebung im Jänner noch zurückhaltender gewesen als im Dezember, versuchten die meisten Ratsmitglieder bei ihren öffentlichen Äußerungen im Februar wieder deutlicher zu werden. So etwa Christine Lagarde am 27.2. im Interview mit der indischen Economic Times: „There is every reason to believe that we will do another 50 basis points in March. After that, we will see. We are data dependent. (…) We need to raise interest rates to a level that is sufficiently restrictive to return inflation to 2%, and to keep rates there for as long as necessary to be confident that inflation returns to 2% in a timely manner. That's the mantra.“ Auch im Protokoll zum Fed-Offenmarktausschuss vom 31. Jänner heißt es, die Zinsen müssten weiter angehoben werden und auf einem erhöhten Level bleiben „until inflation is clearly on a path to 2%“. In Kombination mit guten Arbeitsmarktdaten aus beiden Währungsräumen und einer Aufhellung diverser Stimmungsindikatoren trug dies zur Ernüchterung der Aktienmärkte bei, die nun doch mehr Konkurrenz vom Zinsmarkt bekommen als lange Zeit gedacht.
Die gezielte Auswahl von Regionen, Branchen und Unternehmen wird damit wieder wichtiger als zu Zeiten ungetrübter allgemeiner Aufwärtstrends. Der ATX kann dabei einige Pluspunkte geltend machen: Die bisherige Berichtssaison verlief positiv, die hoch gewichteten Finanztitel profitieren tendenziell von höheren Zinsen, die durchschnittliche Dividendenrendite ist noch immer höher die 10-Jahres-Benchmark-Rendite der Eurozone und das Kurs/Gewinn-Verhältnis deutet sowohl auf Basis der Konsensschätzungen 2023 als auch für 2024 auf ein im internationalen Vergleich großes Kurspotenzial. Im gegenwärtigen wirtschaftlichen und geopolitischen Umfeld ist aber natürlich auch bei der Kursentwicklung der ATX-Titel immer wieder mit zwischenzeitlichen Rückschlägen zu rechnen.
Autorin:
Dipl.-Vw. Uta Pock, lic.oec.int.
Senior Research Analyst
2. März 2023
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