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Marktanalyse: Das Ende der Fahnenstange?

Die konjunkturelle Schwäche der Eurozone findet auch im dritten Quartal ihre Fortsetzung. Während sich in der Industrie stimmungsmäßig nun eine Bodenbildung andeutet, zeigten sich die Dienstleister mit dem Ausklingen der Sonderkonjunktur nach dem Ende der Pandemie zuletzt schwächer. Umso überraschender ist die Renditeentwicklung in Europa, wo beispielsweise die Rendite der österreichischen 10-jährigen Staatsanleihen kurzfristig die 3,5 %-Marke übersprangen. Die fundamentalen Wirtschaftsdaten in Europa rechtfertigen diese Entwicklung keinesfalls, es scheint eher, dass sich der europäische Anleihenmarkt vom Sog der starken US-Vorgaben mit einer überraschend robusten Wirtschaftsentwicklung und der dementsprechenden Reaktion des Anleihenmarktes mitreißen ließ.

Nach dem insgesamt zehnten Zinsschritt der EZB und Rekordleitzinsen von 4,5 % seit Einführung des Euros erscheint das Ende der Fahnenstange nun erreicht. Folgt man dem EZB-Rat, so soll das aktuelle Zinsniveau – wenn lange genug beibehalten – einen maßgeblichen Beitrag zum Erreichen des Inflationszieles leisten. Die Inflation sinkt derweil auch tatsächlich, nach den Energiekomponenten folgen nun die Nahrungsmittel, und auch die Dienstleistungspreise sollten sich konjunkturbedingt abschwächen, ein Rückgang der Kerninflation ist somit beobachtbar. 

Dieses Setup aus hohen Renditen und einer sich eintrübenden Konjunktur ist naturgemäß wenig hilfreich für die Aktienmärkte, der Stoxx 600 verlor im Monat September 1,7 %, wobei die Performances der Subindizes stark variierte. So setzte sich der Sektor Öl- und Gas mit einem Plus von 5,3 % an die Spitze der Kursliste, unterstützt von anziehenden Ölpreisen. Stark präsentierten sich auch die Grundstoffwerte (Basic Resources) mit einem Kursplus von 5,0 %, was auch als technische Gegenbewegung zu den massiven Kursverlusten in den Monaten Jänner-August zu interpretieren ist. Mit zu den Gewinnern zählten auch die Banken, die ihren Erfolgslauf fortsetzen und weitere 2,6% dazugewannen. YTD liegt das Kursplus nun schon bei 15 %, getoppt nur vom Retail-Sektor, der nach den ersten neun Monaten dieses Jahres Kursgewinne in Höhe von 23 % vorzuweisen hat. Zu den Verlierern zählten unter anderem Versorgeraktien (-4,3 %), Technologie (-5,7 %) sowie Reise- und Freizeitwerte (-5,9 %).

Bewertungstechnisch notiert der Stoxx 600 aktuell bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,7x, was historisch gesehen zunächst günstig erscheint, der Durchschnitt der letzten 10 Jahre beträgt knapp 15,8x. Durch die gestiegenen Renditen 10-jähriger Staatsanleihen, die im Regelfall als Referenz für den risikofreien Zinssatz dienen, ist die implizierte Risikoprämie für den Stoxx 600 stark zurückgegangen und liegt mit 4,4 % am unteren Ende der Bandbreite der letzten 10 Jahre. So gesehen erscheint der europäische Leitindex aktuell doch eher hoch bewertet. Die Gewinnschätzungen wurden zuletzt eher nach oben hin angepasst, zudem wird in den kommenden Jahren mit steigenden Gewinnen gerechnet, etwa 9,3 % für 2023 und weitere 9,1 % für 2024, was für den weiteren Kursverlauf unterstützend wirken sollte. Die stärkste Gewinndynamik verzeichnet derzeit der Bankensektor, den schwächsten die Grundstoffwerte, was auch die zuvor erwähnten Kursverläufe seit Jahresbeginn reflektieren.

Was die Aktienkursentwicklung für das vierte Quartal angeht, sind wir nicht allzu optimistisch, wir rechnen mit einem Kursplus im niedrigen einstelligen Bereich. Das negative Sentiment wird sich nur langsam aufhellen, Hoffnung geben der Lagerhaltungszyklus der Industrie, der irgendwann wieder für Impulse sorgen müsste, sowie die reale Einkommenssituation der Haushalte, die nach hohen Lohnabschlüssen und einer zurückgehenden Inflation eine steigende Nachfrage nach sich ziehen sollte.


Autor:
Mag. Christoph Schultes, CIIA®
Chief Analyst CEE Equity
Erste Group Bank AG
3. Oktober 2023

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