Gastbeitrag von Christoph Boschan in „Die Presse“
Kurzfristige Schwankungen des Kapitalmarkts, wie aktuell ausgelöst durch das Coronavirus sind nicht alltäglich. Wichtig ist die richtige Strategie.
Eine der langfristigen Konstanten der jüngeren Geschichte in Friedenszeiten ist stetiges Wirtschaftswachstum. Über freie Kapitalmärkte kann sich jeder an börsennotierten Unternehmen, den größten Produzenten dieses Wachstums, beteiligen. Schwankungen sind jedoch alltäglich. Da Kapitalmärkte neben Substanzwerten auch Erwartungen spiegeln, schwanken sie stärker als das Wirtschaftswachstum. Dieser Tage schürt das Coronavirus viele Ängste an den weltweiten Börsenmärkten.
Es ist ein großer Fehler, sich aufgrund kurzfristiger, wenn auch gravierender, Schwankungen von Aktien abzuwenden. Denn mit der richtigen Strategie, nämlich Investition statt Spekulation, ist das Risiko viel geringer als medial dargestellt. Phasen von Rückgängen an Aktienmärkten sind seltener und kürzer als Phasen des Anstiegs. Kapitalmärkte reflektieren das Wirtschaftswachstum langfristig naturgesetzmäßig. Einfache Anlagegrundsätze minimieren die Schwankungen stark und befreien die Anleger von der Not, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen und die richtige Aktienwahl zu treffen.
Was soll ich kaufen? Eine Mischung aus europäischen, asiatischen und amerikanischen, länger bestehenden Großunternehmen, die Dividende zahlen. Jeder Privatanleger, der davon abweicht ist entweder eigentlich ein professioneller Investor oder schlicht Spekulant. Wie kaufe ich solche Werte? Über Fonds, die sich auf die genannten Regionen und Unternehmen beziehen, am einfachsten in Form eines „Welt-Fonds“.
Wann kaufe ich? In Form eines Sparplans mit monatlichen Beträgen, etwa 100 oder 200 Euro. Kleinere Beträge spart man zusammen und kauft zwei oder viermal im Jahr. So setzen Anleger nicht zu einem Zeitpunkt alles auf eine Karte. Das schmälert zwar die Rendite, bringt aber Sicherheit. Man schließt das Pech aus, zum Höchstkurs alles zu investieren. Nehmen wir den schlechtest denkbaren Startzeitpunkt in unserem Heimatindex. Selbst wenn man zum ATX-Allzeithoch im Juli 2007 zu investieren begann, führte diese Strategie dazu, dass man heute nicht – anders wie fast alle Medien berichteten – auf einem Verlust sitzt. Anleger die seit damals 100 Euro monatlich investieren, machten aus 14.800 bis Ende Jänner 21.300 Euro (vor Gebühren). Wer seit Hochzeiten der Dotcom-Blase investiert, konnte sein eingesetztes Kapital nahezu verdoppeln. Gerade bei Rückgängen, wie sie aktuell zu sehen sind, entfaltet der Durchschnittskosteneffekt von Sparplänen seine volle Wirkung.
Die derzeitige realistische Zielrendite nach den obigen Anlagegrundsätzen liegt bei sieben Prozent p. Jahr. Ein stärkerer Wertzuwachs geht immer mit gesteigertem Risiko einher, ein geringerer Zuwachs bedeutet verschenkte Rendite.
Was ist noch wichtig? Unbedingt auf die Gebühren achten. Eine um ein Prozent geringere Rendite verursacht bei einer monatlichen Investitionsrate von 100 Euro über 40 Jahre einen Renditeverlust von über fünfzigtausend Euro!
Glaube an Unternehmen
Langfristig ist diese Anlagestrategie die sicherste. Wenn die hier vorgestellte Strategie nicht aufgeht, versiegen auch alle übrigen Einkommensquellen. Alle Löhne, Pensionen und Sozialleistungen entstammen derselben Quelle: von leistungsfähigen Unternehmen! Wer sich also der hier vorgestellten Logik nicht anschließen kann, stellt die Zukunftsfähigkeit seiner Einkommensquellen in Frage. Wer aber an die Zukunftsfähigkeit der Löhne, Pensionen und Sozialleistungen – und somit indirekt an prosperierende Unternehmen – glaubt, hat über den Aktienmarkt die Chance überproportional vom Wirtschaftswachstum zu profitieren.
Dieser Artikel erschien zuerst in "Die Presse" am 29. Februar 2020
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