Michael Kordovsky | Börsen-Kurier
Eine moderate Wachstumsphase wäre das Basisszenario, gäbe es nicht Trumps Zollpläne.
Die Privatwirtschaft des Euroraums sollte sich 2025 nach einer längeren Phase des Lagerabbaus voraussichtlich im Bereich einer Bodenbildung befinden. Im Zuge der Veröffentlichung des vorläufigen Wirtschaftsindex „HCOB Flash PMI Eurozone“ von S&P Global kommentierte der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia: „Die Produktion ist im Dezember so stark gefallen wie im gesamten Jahr noch nicht, für die Auftragseingänge ist es ähnlich und auch der Abbauzyklus bei den Lagerbeständen geht ungebremst weiter. Der globale PMI für das verarbeitende Gewerbe hat derweil im November wieder die Expansionsschwelle erreicht, was eines der wenigen Hoffnungszeichen dafür ist, dass es in den nächsten Monaten nicht mehr ungebremst weiter nach unten geht.“
Und auch die Prognosen der EZB schlagen in eine ähnliche Kerbe, denn diese gehen von 2024 auf 2025 von einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums im Euroraum von 0,7 auf 1,1 % und für 2026 sogar auf 1,4 % aus. Steigende Realeinkommen sollten den privaten Konsum stützen und tatsächlich gibt es dafür bereits erste Indizien seitens EuroStat: Von Juli auf August 2024 beschleunigte sich nämlich auf Jahresbasis der Zuwachs des Absatzvolumens im Einzelhandel des Euroraums von 0,2 auf 2,5 %. In den Monaten September und Oktober waren es je 3 bzw. 1,9 %.
Softlanding-Szenario versus „Trumponomics“
In den USA geht es um ein Softlanding oder einen erneuten Wachstumsschub. Fakt ist, dass sich laut weiterer Schätzung das BIP-Wachstum im dritten Quartal 2024 von 3 auf 2,5 % verlangsamte. Doch infolge einer soliden Dienstleistungswirtschaft zeigt die gesamte Privatwirtschaft der USA, Einkaufsmanagerindex-Daten zufolge, nach wie vor zumin-dest eine gewisse Stärke. Was allerdings auffällt, ist, dass in den ersten elf Monaten 2024 die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter um 1,3 % zurückgingen und sich im November dieser Rückgang auf 6,3 % beschleunigte. Ohne den volatilen Transportsektor lag 2024 (YTD, bis November) der Zuwachs der Auftragseingänge noch bei 1,3 %.
Stützend sollten allerdings die von Donald Trump geplanten Steuersenkungen sein. Die geldpolitischen Entscheidungsträger des Offenmarktausschusses der Fed haben somit das für 2025 erwartete BIP-Wachstum gegenüber ihrer September-Prognose im Dezember 2024 von 2 auf 2,1 % nach oben revidiert. Und für 2026 gehen sie von 2 % aus. Allerdings könnte mit den Effekten aus Steuersenkungen und Schutzzöllen vorerst ein stärkeres Wachstum möglich sein. Oder anders ausgedrückt: Während in den USA das Basisszenario bei einem Softlanding liegt, könnte die Wirtschaftspolitik Trumps einen zwischenzeitlichen erneuten Wachstumsschub auslösen („Trumponomics“).
Wachstumsbeschleunigung versus US-Strafzölle
In China sieht es hingegen auf den ersten Blick eindeutig positiv aus. Aufgrund der staatlichen Konjunkturhilfen und gut laufender Exporte hat die Weltbank vor wenigen Tagen ihre Prognose für das BIP-Wachstum des Landes im Jahr 2025 von 4,1 auf 4,5 % nach oben revidiert. Und 2024 sollen es anstatt von 4,8 nun 4,9 % gewesen sein. Allerdings beschneiden ein langsameres Wachstum der Haushaltseinkommen und der negative Vermögenseffekt infolge niedrigerer Immobilienpreise den privaten Konsum. Mit dem Amtsantritt Trumps am 20. Jänner kommen noch „Strafzölle“ der USA als weitere Bedrohung hinzu. Das würde die starke Exportwirtschaft treffen. Gegenmaßnahmen Chinas könnten zu einem sich hochschaukelnden „Zollkrieg“ führen. Letzterer ist auch ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor.
Risikofaktor Zollkrieg
Trump will die US-Wirtschaft vor allem vor Billigimporten aus China und Mexiko aber auch vor Autos und Metallprodukten aus der EU schützen. Das klingt im ersten Moment patriotisch, doch bleibt es in der Praxis nicht bei einseitigen Zöllen. Denn Zollkonflikte, bei denen Länder Importzölle erheben oder erhöhen, können das Wirtschaftswachstum erheblich beeinträchtigen. Studien zeigen, dass solche Handelsbarrieren oft zu einer starken Verlangsamung des Bruttoinlandsprodukts führen.
Eine Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) aus dem Jahr 2019 verdeutlicht, dass ein US-Zoll, der alleine auf Autos und Kfz-Teile beschränkt bleibt und keine weitere Unsicherheit erzeugt, bei kurzer Dauer (über 18 Monate) beispielsweise das deutsche BIP um jährlich 0,3 % beeinträchtigen würde.
Doch je länger so ein Handelskonflikt zwischen den USA und der EU andauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die deutschen Autohersteller und andere betroffene Unternehmen die Zölle nicht mehr durch niedrigere Margen kompensieren, sondern an die Endverbraucher weitergeben. Sinkende Absatzzahlen und Exportrückgänge wären die Folge und Unsicherheiten würden zu zurückhaltendem Investitionsverhalten führen. Eine Zollkonflikt-Eskalation über einen längeren Zeitraum könnte dann laut IMK für Deutschland jährliche Wachstumsverluste von bis zu 0,7 % zur Folge haben.
Vor allem die Dynamik von Zöllen und Gegenzöllen ist sehr gefährlich: Ist die Binnenwirtschaft durch Schutzzölle abgeschirmt, dann steigt die Pricing-Power der geschützten Unternehmen, während die Importpreise ohnehin schon angestiegen sind, was zwischenzeitlich erhöhtes Inflationspotenzial bedeutet. Aber in weiterer Folge droht das Welthandelsvolumen einzubrechen, was zahlreichen Export-orientierten Firmen die Existenz kosten könnte. Ein historisches Beispiel sind die Smoot-Hawley-Zollgesetze aus dem Jahr 1930, die 20.000 Produkte betrafen. Damit wollte man in den USA Industrie und Landwirtschaft schützen, aber es folgten Gegenzölle anderer Länder wie Kanada, Großbritannien und Deutschland: Die Folge: Der Welthandel brach ein, was die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre noch verschärfte.
Fazit
Eigentlich sind es paradiesische Rahmenbedingungen für die Börse: Moderates Wachstum, Disinflationierung und sinkende Leitzinsen stoßen auf wirtschaftspolitische Störfrequenzen in Form eines neuen Zollkonfliktes.
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