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Der Zins-Ausblick 2025 des Börsen-Kurier

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier

USA versus Euroraum: Unterschiedliche Geldpolitik erforderlich.

Der 18. Dezember 2024 brachte Überraschungen. Zwar senkte die Fed ihren Leitzins, die Federal Funds Rate, um weitere 25 Basispunkte auf 4,25 bis 4,50 %, doch die auf die Leitzinsentscheidung folgende Rede von Fed-Chairman Jerome Powell enthielt bereits falkenhafte Töne, die den Markt verunsicherten. Powell wies auf die solide Verfassung der US-Wirtschaft hin und betonte die Nähe zum neutralen Zinsniveau. Das ist jenes Niveau, das das Wachstum weder bremst noch fördert. Diesbezüglich eine wichtige Kernaussage Powells im O-Ton: „Die Inflation ist dieses Jahr höher. Sie ist auch in der Prognose für das nächste Jahr höher. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir uns dem neutralen Zinssatz annähern, was ein weiterer Grund ist, bei weiteren Schritten vorsichtig zu sein.“

In die gleiche Kerbe schlägt sein folgendes Statement als Antwort auf eine Journalistenfrage: „Die Aussichten für unsere Wirtschaft sind also ziemlich gut. Wir müssen jedoch an der Aufgabe dranbleiben und weiterhin eine restriktive Politik betreiben, damit wir die Inflation auf 2 % senken können. Wir werden auch den Arbeitsmarkt im Auge behalten. Wir wollen, dass der Arbeitsmarkt ziemlich genau da bleibt, wo er ist. Wir sind ziemlich nahe an den Schätzungen der natürlichen Arbeitslosenquote.“

Diese Aussagen bei gleichzeitig jüngsten Änderungen der Prognosen der geldpolitischen Entscheidungsträger des Offenmarktausschusses der Fed deuten auf einen nun reduzierten Zinssenkungsspielraum hin.

USA: Begrenztes Potenzial

Das Federal Open Market Committe (FOMC) hat die Teuerungsrate der persönlichen Konsumausgaben (PCE-Inflation) von September auf Dezember für das vierte Quartal 2025 von 2,1 auf 2,5 % und für das vierte Quartal 2026 von 2,0 auf 2,1 % nach oben revidiert, wobei die Kernrate (PCE-Inflation ex Energie und Nahrungsmittel) für 2026 von 2,0 auf 2,2 % angehoben wurde. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote im vierten Quartal 2025 haben die geldpolitischen Entscheidungsträger von 4,4 auf 4,3 % nach unten revidiert, während sie von einem marginal stärkeren BIP-Wachstum (2,1 statt 2,0 %) ausgehen.

Per Saldo haben diese Einschätzungen sie dazu veranlasst, ihre Leitzinsprognose deutlich nach oben zu schrauben. Die Projektionen für die Federal Funds Rate sind der Wert des Mittelpunkts (Medianwert) des projizierten angemessenen Zielbereichs für die Federal Funds Rate oder das projizierte angemessene Zielniveau für die Federal Funds Rate am Ende des angegebenen Kalenderjahres. Gegenüber ihrer September-Prognose hat das FOMC für Ende 2025 den erwarteten Leitzins von 3,4 auf 3,9 % nach oben revidiert. Das impliziert bis dahin nur noch zwei Leitzinssenkungen um je 25 Basispunkte auf 3,75 bis 4,00 %. Für Ende 2026 folgte eine Anhebung der Leitzinsprognose von 2,9 auf 3,4 %.

Und was preisen aktuell die Futures-Märkte für die Fed-Entscheidung am 10. Dezember 2025 ein? Das CME-FedWatch-Tool stimmt mit der Fed-Prognose überein. Die Wahrscheinlichkeit eines Leitzinses von 3,75 bis 4,00 % oder da-runter wurde per 7. Jänner mit

45,3 % eingepreist und jene von 4,00 bis 4,25 % oder gleichbleibender Leitzinsen mit 54,7 %. Fakt ist, dass sich gestützt durch einen starken Konsum vom zweiten auf das dritte Quartal 2024 das BIP-Wachstum nur leicht von 3,0 auf 2,7 % abschwächte. Die US-Exporte von Waren und Dienstleistungen zeigen trotz hohen Dollarkurses im dritten Quartal 2024 mit 4,6 % Zuwachs Stärke, und auch hohe Rüstungsausgaben wirken konjunkturstützend.

Von Oktober auf November 2024 ist die PCE-Inflation wieder von 2,3 auf 2,4 % gestiegen, während die Kernrate (ex Energie und Nahrungsmittel) bei 2,8 % verharrte. Dem steht eine Headline-Inflation von 2,7 % im November gegenüber, während die Arbeitslosenquote bei 4,2 % lag. Somit widerspiegelt auch die aktuelle Datenlage plausibel die Nähe zu einem neutralen Leitzinsniveau.

Diese Erkenntnisse führten dazu, dass die Renditen zehnjähriger US-Treasuries seit dem 17. Dezember 2024 um rund 30 Basispunkte auf 4,68 % (7. Jänner 2025) anstiegen. Der am 20. Jänner 2025 stattfindende Amtsantritt Donald Trumps führt dazu, dass wirtschaftspolitisch die Karten völlig neu gemischt werden. Mehren sich mit Steuersenkungen und höheren Importzöllen die inflationären Signale, sind vor allem am langen Ende weitere Renditeanstiege zu erwarten.

Der Eurozone winken mehrere Leitzinssenkungen

Anders ist die Situation im Euroraum, wo sich die Industrie in der Rezession befindet, das BIP-Wachstum im dritten Quartal 2024 lediglich bei 0,9 % lag und die Inflationsrate im Durchschnitt der Monate August bis November nur noch bei rund 2 %. Von November auf Dezember stieg sie primär aufgrund eines nachlassenden Brems-effektes der Energiepreiskomponente von 2,2 auf 2,4 % (vorläufiger Wert). Die im HVPI mit 9,91 % gewichtete Energiepreiskomponente beendete ihren Rückgang von -2,6 und drehte mit 0,1 % ins Plus - ein Basiseffekt, der bereits vorhersehbar war.

Mit 4,0 % noch den stärksten Auftrieb verzeichnete die Dienstleistungskomponente. Doch auch von der Lohninflationsseite gibt es langsam eine Entwarnung infolge der anhaltenden Rezession in der Industrie aber auch wegen steigender Arbeitsproduktivität, was EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der Pressekonferenz vom 12. Dezember wie folgt skizziert hat: „Der Zuwachs des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer schwächte sich von 4,7 % im zweiten Quartal auf 4,4 % im dritten Quartal ab. Vor dem Hintergrund einer stabilen Produktivität trug dies zu einem langsameren Wachstum der Lohnstückkosten bei. Die Fachleute des Eurosystems gehen davon aus, dass die Arbeitskosten im Projektionszeitraum aufgrund eines geringeren Lohnwachstums und eines höheren Produktivitätszuwachses langsamer ansteigen.“

Die Kerninflationsrate (Veränderung HVPI ex Energie, Lebensmittel, Alkohol & Tabak) verharrt im Dezember 2024 bereits den dritten Monat in Folge auf 2,7 %, verglichen mit 3,4 % im Dezember 2023. Indirekte Signale Richtung weiterer Leitzinssenkungen lassen sich u.a. von folgendem Statement Lagardes am 12. Dezember (jüngste Leitzinsentscheidung) ableiten: „Unsere Projektionen deuten zum sechsten Mal in Folge auf eine Annäherung an 2 % im Jahr 2025 hin. Wir sehen zweiseitiges Risiko für die Inflation. Das makroökonomische Umfeld, in dem wir unsere Entscheidungen treffen, unterscheidet sich also erheblich von den Tagen, als die Inflation sehr hoch war, wir viel zu tun hatten und das Inflationsrisiko einseitig war. Infolgedessen war es völlig legitim und natürlich, den Hinweis darauf zu streichen, dass wir lange genug restriktiv sein müssen, um das Ziel rechtzeitig zu erreichen.“

Gleichzeitig haben die Volkswirte der EZB von September auf Dezember 2024 ihre Wachstumsprognosen für den Euroraum nach unten revidiert. Rechneten sie im September für die Jahre 2024, 2025 und 2026 noch mit jeweils 0,8 %, 1,3 % bzw. 1,5 %, so gingen sie im Dezember 2024 nur noch von jeweils 0,7 %, 1,1 % bzw. 1,4 % aus. Im Einklang mit diesen Erwartungen haben sie ihre Inflationsprognosen für 2024 und 2025 von je 2,5 bzw. 2,2 % auf 2,4 bzw. 2,1 % nach unten revidiert. Die Prognose für 2026 blieb unverändert bei 1,9 %.

Per 30. Dezember preiste die Forward-Kurve im Drei-Monats-Euribor bis Anfang Dezember 2025 einen Rückgang auf ein Niveau von 1,86 % ein (verglichen mit 2,731 % per 3. Jänner 2025). Das würde im Einlagenzins der EZB einen Rückgang von derzeit 3,00 auf 2,0 % oder gar 1,75 % bzw. vier bis fünf weitere Leitzinssenkungen im Aus-maß von je 0,25 %-Punkten implizieren.

Konjunkturrisiken gehen von möglichen Strafzöllen der USA aus, während eine weitere US-Dollaraufwertung Importinflation bedeuten würde.

Unser Fazit

Im Euroraum sind vier bis fünf Leitzinssenkungen möglich.

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