Wiener Börse News

Anzeichen einer KI-Ermüdung

Jens Korte, New York | Börsen-Kurier 

Anzeichen einer KI-Ermüdung

Die vergangenen eineinhalb Jahre waren atemlos. Seit Einführung von „ChatGPT“ gibt es in der Industrie kein Halten mehr. Doch es gibt Anzeichen, dass der Schwung nachlässt. Unternehmen und Investoren stellen vermehrt die Frage: Wann kommt der große Nutzen?

Nvidia war vor gut einem Jahr rund 900 Milliarden US-Dollar wert. Jetzt steht die Marktkapitalisierung bei fast 3 Billionen US-Dollar. Ende dieser Woche wird der Chiphersteller ein Aktiensplitting im Verhältnis 10 zu 1 vornehmen. Ab dem 10. Juni wird die einzelne Aktie dann 90 % „günstiger“ sein. Bei so einem Aktiensplitting ändert sich fundamental eigentlich nichts. Das ist so, als ob ein Zehn-Dollarschein in zehn Ein-Dollarscheine umgetauscht wird. Doch an der Börse spielt die Psychologie eine große Rolle. Die Historie hat gezeigt, dass Aktien nach einem Splitting häufig zusätzlichen Auftrieb bekommen haben. 

Womöglich wird dann auch Nvidia vermehrt Kleinanleger anziehen, die keine Aktien für 1.000 US-Dollar kaufen wollen, aber bei 100 US-Dollar pro Stück zuschlagen. Am vergangenen Wochenende hat Nvidia die nächste Generation an KI-Chips vorgestellt. Erst vor drei Monaten hatte das Management die Rockwell-Modelle vorgestellt. Bevor diese überhaupt auf den Markt kommen, denkt Nvidia also schon weiter. Das mag auf der einen Seite fortschrittlich sein, zeigt auf der anderen Seite aber, dass der Druck der Konkurrenz stärker wird und sich Nvidia schneller bewegen muss, um die Position zu halten.

Laut einer Berechnung der Silicon-Valley-Firma Sequoia hat die Tech-Industrie vergangenes Jahr rund 50 Milliarden US-Dollar für Chips von Nvidia bezahlt, um KI-Modelle zu trainieren. Dem gegenüber haben diese Unternehmen mit KI 2023 einen Umsatz von 3 Milliarden US-Dollar generiert. Jetzt mag das eine Investition in die Zukunft sein, doch die KIs könnten für den Moment an ihre Grenzen stoßen. Das hängt zum Teil damit zusammen, dass die Programme doch noch menschliche Unterstützung benötigen. Der nächste Datenschub könnte von KIs selber stammen. Doch wie groß der Mehrwert von KI erstellter Daten ist, bleibt abzuwarten. 

Es ist aus meiner Sicht keine Frage, dass Künstliche Intelligenz bestimmte Fortschritte beschleunigen kann. Ich denke da vor allem an die Diagnostik im medizinischen Bereich oder auch an Forschungen in der Biotechnologie. Auch in anderen Bereichen können Arbeitsprozesse vereinfacht und beschleunigt werden. Aber die Implementierung kostet Zeit, Geld und viel Energie. Nach dem gewaltigen Hype rund um KI könnte eine Phase der Besinnung einsetzen. Das bedeutet nicht ein Platzen der KI-Blase. Aber die gewaltigen Kursgewinne der jüngeren Vergangenheit könnten hinterfragt werden.

 

Dieser Artikel wurde zur Verfügung gestellt von:

Börsen-Kurier     Jetzt 4 Wochen gratis testen

Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.