Der Wiener Markt hat seine Eigenheiten – das ist nicht neu. Um die Wiener Börse zu verstehen ist es daher wichtig die Einflussfaktoren zu kennen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die drei wesentlichsten Kriterien sind: Wie ist die Lage der im Index hoch gewichteten Großbanken? Wie ist die Lage in Osteuropa? Wie verhalten sich die internationalen Investoren?
Die Lage der heimischen Großbanken wurde in den vergangenen Jahren in den europäischen Wirtschaftsmedien immer wieder thematisiert – oft stark vereinfacht und schmerzhaft oberflächlich. In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Lage eindeutig ins Positive gedreht. Die ERSTE Bank hat ihre Altlasten konsequent bereinigt und RBI ist in der Umsetzung des Transformationsprozesses. Fazit: Diese Ampel ist auf „grün“.
Das Wirtschaftswachstum in den osteuropäischen Nachbarländern wird 2017 bei im Schnitt gut 3 % liegen. Insgesamt ist die Lage in der Region besser als oft medial wahrgenommen. Lediglich Russland bleibt ein politischer Sonderfall – hat sich jedoch auch stabilisiert. Viele internationale Investoren koppeln ihre Investments in Österreich an die Meinung zu Osteuropa. Für viele Unternehmen des ATX-Index ist dies rational nachvollziehbar. Für viele andere nicht, da Osteuropa nur einer von vielen Märkten im globalen Umfeld ist – dennoch ist es Fakt. Fazit: Auch diese Ampel ist auf „grün“.
Nur etwa ein Viertel der an der Wiener Börse tätigen Investoren kommt aus Österreich. Etwa drei Viertel dagegen sind internationale Anleger – aus den USA, aus Großbritannien, aus vielen Ländern der EURO-Zone bis hin zum Norwegischen Staatsfonds. Für die Wiener Börse ist daher essentiell entscheidend wie diese Anlegergruppe denkt und agiert. Dies ist wichtiger als die Kapitalflüsse der heimischen Marktteilnehmer oder die Stimmung der heimischen Privatanleger. Fazit: Auch diese dritte Ampel ist auf „grün“. Mit einer Dividendenrendite von im Schnitt knapp 3 % ist Wien für diese über hohe investierbare Mittel verfügende Gruppe immer noch attraktiv. Auch Kennzahlen wie Kurs/Gewinn oder Kurs/Buchwert liegen unter den Werten der internationalen Indizes. Es ist nicht neu, dass in einer fortgeschrittenen Phase des Aktienzyklus, in der wir international wohl sind, kleinere und weniger entdeckte Märkte gesucht sind. Dazu kommt – wie eingangs beschrieben – das gerade die Lage in Osteuropa und die stabilisierten Banken die positive Stimmung unterstützen.
Die heimischen Konjunkturerwartungen wurden zuletzt beachtlich nach oben revidiert – über die 2 %-Grenze hinweg. Die zuletzt bekannt gegebenen Gewinnausweise der Unternehmen überzeugen mit wenigen Ausnahmen. Immo-Aktien bleiben weiterhin interessant, da sie immer noch unter den Buchwerten notieren. Die Versicherungen sind keine klassischen Wachstumstitel, zahlen aber hochattraktive Dividenden. Daneben gibt es Unternehmen wie voestalpine, Lenzing, Palfinger, Strabag oder Agrana, die in ihren jeweils spezifischen Segmenten über beste Wachstumsaussichten verfügen.
Die Wahrscheinlichkeit ist daher hoch, dass der heimische Markt die jüngste Phase der Outperformance zu den breiten internationalen Indices im weiteren Jahresverlauf fortsetzt. Ein Grund sich entspannt zurückzulehnen ist dies nicht. Das internationale Gefüge aus Politik und Notenbanken, die irgendwann die Liquiditätsschwemme beenden müssen, kann jederzeit Korrekturen auslösen. Nicht nur – aber auch in Wien.
Autor:
Alois Wögerbauer, CIIA
Geschäftsführer der 3 Banken-Generali Investment-Gesellschaft m.b.H.
Raiffeisen KAG
5. Juli 2017
Hinweis
Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Analysten wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.