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voestalpine - Bilanzschönung im Fokus der Hauptversammlung

03.07.2024, 16:12:00

CEO räumte Fehler in der Informationspolitik ein - Aufarbeitung des "Einzelfalls" wird noch mehrer Wochen dauern - Rechtskosten von 1,5 Mio. Euro erwartet

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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Teilweise gekürzt und adaptiert; Stellungnahme unabhängiger Stimmrechtsvertreter (5. bis 7. Absatz sowie vorletzter Absatz); Zusatzinfos (im letzten Absatz)
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Bei einer deutschen Tochter der voestalpine
sind ab 2012/13 Bilanzen geschönt worden. In Summe geht es um 100
Mio. Euro. Kritik hagelt es für die mangelhafte Kommunikation des
Vorfalls nach außen. "Dass man im Nachhinein bekanntlich immer
klüger ist, gilt auch hier: Könnten wir die Zeit um vier Wochen
zurückdrehen, hätten wir sicher im Rahmen der Bilanzpressekonferenz
aktiver über die Fehlbuchungen informiert", sagte CEO Herbert
Eibensteiner in der Hauptversammlung.
Ein konkreter finanzieller Schaden, der sich aus heutiger Sicht
vor allem aus "zu viel bezahlten Steuern" ableite, sei aktuell noch
Gegenstand der laufenden Untersuchungen, berichtete der
Vorstandsvorsitzende heute, Mittwoch, beim Aktionärstreffen im
Linzer Design Center. In Bezug auf Steuern sei aktuell davon
auszugehen, dass "ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag zu viel
bezahlt wurde", dessen Rückforderung von den Finanzbehörden "nicht
mehr möglich" sei. Dazu kämen noch die Kosten für die Aufarbeitung
des Falls.
Die umfassende Untersuchung des "sehr komplexen Sachverhalts"
wird den Angaben zufolge noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen.
Dabei dürften Rechtskosten im Ausmaß von 1,5 Mio. Euro auflaufen.
"Jetzt stehen wir bei 800.000", sagte Konzernsprecher Peter Felsbach
zur APA.
"Die gesamten Fehlbuchungen wurden mit Ende des Geschäftsjahres
2023/24 richtiggestellt und es handelt sich um einen Einzelfall",
betonte Eibensteiner. "Und diesen haben wir selbst identifiziert und
umgehend mit der Aufarbeitung gestartet."
"Bei Schummelei mit Bilanzen ist Transparenz und Ethik
erforderlich", hielt der unabhängige Stimmrechtsvertreter Florian
Beckermann vom Interessenverband für Anleger (IVA) gegenüber der APA
fest. Herbert Eibensteiner gehe in die Transparenz-Offensive und
ringe um Kontrolle, Aufsichtsratschef Wolfgang Eder suche zu
kalmieren. Der Wirtschaftsprüfer Deloitte rechtfertige sich bei
"fraudulentem" Verhalten kaum Handhabe zu haben.
"Das Thema ist noch nicht geklärt, um eindeutige Aussagen treffen
zu können", sagte Beckermann weiters. "Ebenso scheint es ein
Einzelfall zu sein, daher ist eine Entlastung des Vorstands und
Aufsichtsrats erwartbar", so seine Einschätzung. Ansonsten sei heute
auch Kritik an hohen Nebenkosten - "Antrittsgelder in Millionenhöhe,
Reisekosten des Aufsichtsrats" - geübt worden. Weiters habe es
Diskussionen über Klimafragen, aber keine Aktivisten gegeben.
Die Dividende sei nicht verdient, der Gewinn je Aktie sei
gesunken, so Beckermann. Laut Dividendenvorschlag des Managements an
die Hauptversammlung soll die Ausschüttung für 2023/24 gegenüber dem
Jahr davor von 1,50 Euro je Aktie auf 70 Cent zwar mehr als halbiert
werden. Doch der Jahresüberschuss schrumpfte im abgelaufenen
Geschäftsjahr von 1,19 Mrd. Euro um rund 80 Prozent auf 207,1 Mio.
Euro wesentlich kräftiger; der Gewinn je Aktie (EPS) sackte von 6,01
auf 0,59 Euro je Anteilsschein ab.
Zurück zum Bilanzskandal: "Die Kommunikation mit der
Öffentlichkeit hinterfragen wir im Nachhinein selbstkritisch",
räumte Eibensteiner mit Blick auf die Malversationen bei einer
deutschen Gesellschaft der Metal Forming Division ein. Rechtlich
habe sich der Konzern aber "100 Prozent korrekt" verhalten, erklärte
der Konzernchef gleichzeitig.
"Ja, die Kommunikation hätte besser laufen können - der Vorstand
wird daraus seine Lehre ziehen", räumte auch Aufsichtsratschef und
Ex-Voest-Chef Wolfgang Eder ein - und versuchte den Umfang des
Vorfalls zu relativieren. "Wir reden über einen Zeitraum von zwölf
Jahren und ein Ausmaß von etwa 100 Mio. Euro, das sind im Schnitt
8,3 Mio. Euro pro Jahr." Das Eigenkapital per Ende März 2024 betrage
nun 7,5 Mrd. statt 7,6 Mrd. Euro - "ein Minus von 1,3 Prozent", wie
er hinzufügte.
"Diese Dimension steht aus meiner Sicht in keiner Relation zu der
in den letzten Wochen verbreiteten Stimmung", meinte Eder. Die
ergebnisverbessernden Fehlbuchungen seien in einer einzelnen
Gesellschaft vorgenommen worden. Die übrigen anderen 300 Unternehmen
der voestalpine kämen ihren Verpflichtungen "nach all unseren
Erkenntnissen" ordnungsgemäß nach. "Soweit zur sogenannten aktuellen
Causa Prima."
Der Vorfall habe in den vergangenen Wochen für viel
Aufmerksamkeit gesorgt und die voestalpine seines Erachtens "in der
Öffentlichkeit in ein falsches Licht gerückt", sagte Eibensteiner
vor der versammelten Aktionärsschaft. "Oder um es mit den Worten
unseres Bundespräsidenten zu sagen: So sind wir nicht", hielt der
voestalpine-Chef fest.
"Wir haben laufend unsere Ad-hoc-Pflicht überprüft. Wir wollten
mit der Information erst in eine breite Öffentlichkeit gehen, wenn
die Aufarbeitung des Falles abgeschlossen ist und wir umfassend
informieren können, um öffentlichen Spekulationen über Schuld und
Verantwortung keinen Raum zu geben", erklärte Eibensteiner das
Vorgehen aus Sicht des Managements.
Der bisher bekannte Schaden im Detail: Die Bilanzmanipulation
führten letztlich zu einem Wertberichtigungserfordernis im Ausmaß
von insgesamt 100 Mio. Euro. Das Eigenkapital zum 1. April 2022
wurde laut Eibensteiner rückwirkend um 81,6 Mio. Euro reduziert.
"Das ist die Zeit auch zurück bis 2012/13", erklärte der CEO. Im
Geschäftsjahr 2022/23 hätten die Auswirkungen in der
Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV) 1,4 Mio. Euro betragen und die
Ergebnisse der ersten drei Quartale des vergangenen Geschäftsjahres
2023/24 seien um rund 17 Mio. Euro korrigiert worden.
"Daraus ergibt sich das bereits erwähnte
Wertberichtigungserfordernis von 100 Mio. Euro, wodurch sich das
Eigenkapital der voestalpine AG zum 31. März 2024 von 7,6 Mrd. Euro
auf 7,5 Mrd. Euro reduziert hat."
Und Eibensteiner weiter: "Es kam zu keinem, ich betone es noch
einmal, zu keinem direkten Mittelabfluss und der Betrag von 100 Mio.
Euro ist auch nicht als finanzieller Schaden zu sehen." Die
bilanziellen Folgen seien mittlerweile rückwirkend korrigiert und
vollständig im Jahresabschluss 2023/24 berücksichtigt.
Im Zuge der heutigen Hauptversammlung steht auch die Neuwahl des
Aufsichtsrats auf der Tagesordnung. "Der Aufsichtsrat zielt auf die
Konservierung des Status quo", vermerkte Aktionärsvertreter
Beckermann. Der angekündigte Generationswechsel sei noch nicht
sichtbar. "Internationale Stimmrechtsberater votieren hier
kritisch."
Eder wird sich laut Eigenangaben ein letztes Mal zur Wahl
stellen, "aber nur noch verkürzt, für drei Jahre", wie er heute
sagte. Das habe zwei Gründe: "Erstens bin ich dann 75 und zweitens
halte ich mich für ersetzbar", so Eder, der dann auch auf 50 Jahre
Wirken in der anfangs noch verstaatlichten Voest zurückblickt. Seit
1978 ist er für das Unternehmen tätig - ab 1991 als
VA-Stahl-Generalsekretär, ab 1995 im Vorstand, ab 2001 als
stellvertretender Vorstandsvorsitzender und von 2004 bis 2019 als
Konzernchef.
kre/tpo
 ISIN  AT0000937503
 WEB   http://www.voestalpine.com


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