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Brasilianische Suzano wird Lenzing-Kernaktionär: B&C gibt Mehrheit ab

12.06.2024, 14:32:00

Weltgrößter Faserhersteller kann bis Ende 2028 Lenzing-Anteil von 15 auf 30 Prozent aufstocken - Suzano-Chef: "Nicht Ziel Mehrheit zu erreichen" - B&C/Suzano Syndikat läuft vorerst 7 Jahre

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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Teilweise Neufassung mit Zitaten aus B&C/Suzano-Pressekonferenz und Reaktion IVA (letzter Absatz)
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Die heimische B&C-Gruppe gibt ihre Mehrheit
am oberösterreichischen Faserhersteller Lenzing ab. Der
brasilianische Zellstoffkonzern Suzano übernimmt einen
15-Prozent-Anteil an Lenzing für 230 Mio. Euro und kann bis Ende
2028 einen weiteren 15 Prozent-Anteil erwerben. B&C reduziert seine
Beteiligung an Lenzing vorerst von 52,25 auf 37,25 Prozent. Die
Lenzing-Aktie kletterte im Handelsverlauf um bis zu 14 Prozent nach
oben.
Die zuständigen Aufsichtsbehörden müssen dem Anteilsverkauf aber
noch zustimmen, das Closing des Deals soll im Herbst erfolgen. B&C
und Suzano bilden nach Abschluss der Transaktion ein langfristiges
Lenzing-Aktionärssyndikat und B&C wird die Kontrolle in dem Syndikat
ausüben. Suzano soll zwei Aufsitzratssitze im fünfzehnköpfigen
Lenzing-Aufsichtsrat erhalten. Der Syndikatsvertrag läuft sieben
Jahre und kann dann verlängert werden. Die börsennotierte Suzano ist
mit einem umgerechneten Umsatz von über 7 Mrd. Euro der weltgrößte
Zellstoffproduzent und gilt mit einem bereinigten operativen Gewinn
(EBITDA) von 3,4 Mrd. Euro als höchstprofitabel. Suzano
bewirtschaftet in Brasilien Plantagenholz auf einer Fläche von rund
26.000 Quadratkilometern.
Suzano war laut B&C-Aufsichtsratschef Wolfgang Hofer seit Jahren
an einer Lenzing-Beteiligung interessiert. Seit vergangenem Jahr gab
es Gespräche, die sich in den vergangenen Monaten konkretisiert
haben. "Wir haben immer davon geträumt, einer der Anteilseigner von
Lenzing zu sein", sagte Suzano-Chef Walter Schalka am Mittwoch bei
einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Wien. Man könne
einen "wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
des Lenzing-Geschäftsmodells leisten". Sollte Suzano in den nächsten
Jahren den Lenzing-Anteil von 15 auf 30 Prozent aufstocken, dann
muss der brasilianische Konzern ein Pflichtangebot an alle Aktionäre
legen. "Es ist nicht unser Ziel, die Mehrheit zu erreichen", sagte
der Suzano-CEO.
Der brasilianische Konzern bezahlt 39,70 Euro je Lenzing-Aktie
und damit einen höheren Preis als der aktuelle Börsenkurs. Die
Lenzing-Aktie schoss nach Bekanntgabe des Suzano-Einstiegs am
Mittwoch um bis zu 14 Prozent auf 36,70 Euro nach oben, die
Marktkapitalisierung belief sich auf rund 1,4 Mrd. Euro. Über 40
Prozent der Aktien des Faserherstellers befinden sich in
Streubesitz, Goldman Sachs hält sieben Prozent. Zum Vergleich: Die
Suzano-Marktkapitalisierung betrug zuletzt 11 Mrd. Euro.
Der Aktienkurs der Lenzing lag Anfang 2022 noch bei 110 Euro. Der
Kurs des Faserherstellers brach seitdem aufgrund des kriselnden
Textilmarkts, hohen Millionen-Verlusten und Abschreibungen stark
ein. B&C-Aufsichtsratschef Wolfgang Hofer verteidigte auf
Journalistennachfrage das Timing des Anteilsverkaufs. "Der Zeitpunkt
bestimmt sich aus den Interessen der Lenzing, nicht aus den
Interessen der B&C." Man habe mit Suzano "einen finanzstarken
Kernaktionär für Lenzing gewinnen können, der über umfangreiche
Expertise und Reputation auf den internationalen Finanzmärkten
verfügt". Hofer verwies auf erfolgreiche Unternehmen in Österreich
mit ausländischen Partnern, etwa bei KTM und Miteigentümern aus
Indien, bei Red Bull mit dem Mehrheitseigentümer aus Thailand. "So
was schwebt uns mit Lenzing und Suzano auch vor." Mit den riesigen
Rohstoffreserven des neuen brasilianischer Partners könne Lenzing
besser gegen die harte Konkurrenz aus Indien und China bestehen, so
der B&C-Aufsichtsratschef.
Ein zwischen B&C und Suzano vereinbartes "Österreich-Paket" soll
den Standort Lenzing absichern. Man habe eine langfristige Sicherung
des Firmensitzes, Stammwerks und F&E-Aktivitäten in Oberösterreich
vereinbart, hieß es am Mittwoch. Ebenfalls vereinbart wurde die
weitere Notierung der Lenzing Aktiengesellschaft an der Wiener
Börse.
Die B&C-Gruppe hatte Mitte April bereits angekündigt,
strategische Partner für ihre Kernbeteiligungen an Lenzing, Semperit
und AMAG zu suchen und dafür ein Absinken ihrer Beteiligungen unter
die 50-Prozent-Schwelle in Kauf zu nehmen. Die Industrieholding will
langfristig aber Kernaktionär der Lenzing bleiben. Alle drei
Unternehmen, insbesondere AMAG und Lenzing, hätten Investitionen zu
stemmen, "die aus den Unternehmen nicht immer finanziert werden
können", hieß es damals. Im Jahr 2000 wurde die B&C Privatstiftung
von der Bank Austria und Creditanstalt errichtet. Ab 2000 erwarb die
Beteiligungsholding der Privatstiftung eine Reihe wesentlicher
bankgeschäftsfremder Industrie-Beteiligungen der beiden
Stifterinnen.
Das Lenzing-Management begrüßte in einer schriftlichen
Stellungnahme die angestrebte Transaktion. "Lenzing und Suzano sind
zwei Unternehmen, die sich in den vergangenen Jahren als relevante
Player auf dem internationalen Zellstoffmarkt kennen und schätzen
gelernt haben", sagte Lenzing-Chef Stephan Sielaff. Auf Basis der
Suzano-Kernkompetenzen im Bereich Zellstoffproduktion und
Operational Excellence könne der brasilianische Konzern "einen
wertvollen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung" der
Lenzing-Strategie leisten. "Für uns ist die Konstellation von den
nun zwei starken Kernaktionären B&C Gruppe und Suzano S/A jedenfalls
ein Gewinn", so der Lenzing-CEO.
Auch Kleinaktionärsvertreter Florian Beckermann vom
Interessenverband für Anleger (IVA) sieht den Einstieg des
brasilianischen Zellstoffkonzerns bei Lenzing positiv. "Aufgrund der
Zyklizität des Geschäfts macht dafür ein strategischer Partner mit
Rohstoffzugang und tiefer Branchenkenntnis grundsätzlich mehr Sinn,
als ein purer Finanzinvestor wie zum Beispiel die ÖBAG", so
Beckermann gegenüber der APA. "Das strategische B&C-Suzano-Syndikat
ist ein wichtiger Schritt zur Krisenbewältigung von Lenzing und
B&C." Nach einer Anteilsaufstockung durch den brasilianischen
Konzern wäre die B&C-Gruppe aber "nur noch Juniorpartner im
Syndikat".
(Redaktionelle Hinweise: GRAFIK 0792-24, 88 x 98 mm)
  cri/bel
 ISIN  AT0000644505
 WEB   http://www.lenzing.com
       https://www.bcholding.at/


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Quelle: APA, Meldungen der letzten 4 Wochen