"IPO Spotlight" – gemeinsam mit Trending Topics sprechen wir mit  Expertinnen und Experten aus Österreich und Deutschland über den Weg von Unternehmen und Scale-ups an die Börse.

Nachdem Firmen in den durch multiple Krisen gezeichneten vergangenen Jahren das Börsenparkett eher gemieden haben, wagen nun wieder mehr Unternehmen diesen Schritt. So lautet die Einschätzung von Martin Steinbach, und er muss es wissen: Er ist Head of IPO and Listing Services beim Unternehmensberater EY Deutschland und hat sich mit seiner Expertise in der Szene den Namen "Mr. IPO" verdient: Steinbach ist ein echter Fachmann für Börsen-Listings.

IPO Spotlight mit Martin Steinbach von EY direkt anhören:

Was es für einen Börsengang braucht

Martin Steinbach begleitet Unternehmen durch sämtliche Phasen des IPOs. Er hat bereits 25 Jahre Erfahrung auf dem IPO-Markt gesammelt. Alleine bei EY hat er mehr als 120 Unternehmen im Bereich “IPO-Readiness” beraten. Im Gespräch mit Trending Topics erläutert er, wie die aktuelle Lage aussieht und was Unternehmen beachten müssen, wenn sie ihr Börsendebüt angehen wollen.

Was braucht ein Unternehmen also für einen Börsengang? Zunächst auf jeden Fall eine Bank. Deren Aufgabe ist es, eine Bewertung zu erstellen und die Aktien zu platzieren. Doch das ist erst der Anfang, denn ein IPO ist ein komplexes Unterfangen.

Zielbewertung: Mindestens 200 Mio. Euro

 

„Unsere Aufgabe ist es, komplementär mit anderen die entsprechende 'IPO-Fitness' herzustellen. Hier stellt sich die Frage nach den Strukturen, also nach Aspekten wie dem Emittenten, dem Sitzland und der Rechtsform. Für viele ist die Finanzberichterstattung ein Thema, denn es gibt verschiedene Accounting-Standards. Mit dem Börsengang ziehen auch neue Corporate Governance-Systeme ein. Das heißt, in der Regel wird das interne Risikomanagement-System verbessert. Es braucht neue Infrastrukturen und Prozesse, gerade rund um Investor Relations und Finanz-Disclosure, denn eins ist klar: Mit einem Börsengang erhöht sich die Transparenz der Unternehmen in der Öffentlichkeit”, so Steinbach. 

An einem Börsengang gibt es darüber hinaus auch viele verschiedene Interessen, die es zu berücksichtigen gibt. Es gibt neben den Eigentümern oft noch andere Stakeholder, die ihre eigenen Perspektiven haben. Ebenfalls ist nicht jedes Unternehmen aus dem gleichen Holz geschnitzt. Ein Familienunternehmen, ein mittelständisches Unternehmen, ein Startup oder ein Scale-up haben in der Regel sehr unterschiedliche Zugänge zum IPO. Die Grundfrage ist jedoch simpel: Bringt der Börsengang dem Unternehmen einen Vorteil? Eine weitere Voraussetzung ist auch die Bereitschaft der Firma, transparenter denn je zu werden. Und außerdem braucht es eine attraktive Unternehmensgeschichte, um die Aktie für Investor:innen schmackhaft zu machen. Martin Steinbach sieht auch das Timing des Börsengangs als wichtig. Und eine letzte Voraussetzung: Die Bewertung sollte beim IPO mindestens 200 Millionen Euro betragen. 

„IPO-Fenster“ ist nicht immer offen

So viel also zu den Unternehmen, doch wie sieht es mit dem Börsenplatz aus? Dieser muss immerhin auch zu der Firma passen. Steinbach erklärt, dass laut EY-Daten 90 Prozent aller IPO-Kandidaten im langfristigen Durchschnitt den Heimatmarkt als Börsenplatz wählen. Für österreichische Unternehmen ist das die Wiener Börse. 

Wie Steinbach schon erwähnt hat, ist das Timing für das IPO sehr ausschlaggebend. Das sogenannte “IPO-Fenster” ist nicht immer offen. Zunächst müssen die Investor:innen erreichbar sein. Demnach ist ein Börsengang zur Urlaubszeit schon mal eine schlechte Idee.

„Ebenfalls ein Faktor ist die Volatilität. Ist diese zu hoch, wird es eher weniger IPOs geben. Auch wichtig ist das Bewertungsniveau in der entsprechenden Peer Group. Ein weiteres Thema ist auch das EZB-Zinsniveau. Und ein weiterer Einflussfaktor sind die geopolitischen Spannungen. Alle diese Aspekte formen insgesamt das IPO-Fenster. Wir leisten als EY hier gerne Hilfestellung”, erklärt Steinbach.

Markt für Börsengang geht 2024 bergauf

War das IPO-Fenster in den letzten Jahren oft geschlossen, scheint es 2024 wieder offen zu sein. “Wir hatten einen sehr guten Start in das Jahr 2024. Europa ist ein Markt, der stark wächst und auch die ganz großen Börsengänge zeigt. Insofern stehen die Zeichen gut. Für den Rest des Jahres hängt der IPO-Markt stark von der Zinsentwicklung ab. Wir warten alle auf Zinssenkungen und der Markt sieht auch genau hin. Das zweite große Event sind die Wahlen in den USA, bei denen alle gespannt sind, den Ausgang zu erfahren. Und natürlich gibt es immer noch die geopolitischen Spannungen.”

Doch ganz gleich, wie sich die Lage auf dem IPO-Markt entwickelt: Ein Börsengang ist und bleibt mit Risiken verbunden. Deshalb ist Risikomanagement in diesem Bereich von großer Bedeutung. 

„Es gibt hier eine ganze Reihe an Faktoren, die es zu beachten gilt. Unternehmen brauchen zunächst einmal das richtige Team an externen Partnern. Das heißt, die richtige Auswahl der Lead-Bank und der weiteren Banken im Konsortium ist ein wichtiger Faktor. Auch von Bedeutung ist die richtige Incentivierung der Bank, um auch die richtigen Investoren anzusprechen. Ein weiteres Thema ist natürlich die gute Vorbereitung. Wenn ich meine Hausaufgaben nicht mache, ist das Risiko deutlich höher, dass ich den Börsengang verschieben oder absagen muss. Deswegen muss man sich vorher Feedback von den Investoren holen. Man nennt das Pre-Pre-Marketing. Man stellt sich hier schon mal bei den Investoren vor und hört sich an, wie die Equity-Story ankommt. Damit testet man schon vorher den Unternehmenswert aus.”

Erfolg zeigt sich erst zwölf Monate nach Listing

Und was macht nun einen erfolgreichen Börsengang aus?

„Der erste Erfolg ist schon mal, wenn man es überhaupt auf die Börse schafft, man steht auf dem Parkett und läutet die Glocke. Investoren können nun investieren. Aber man investiert ja nicht, um am ersten Tag wieder zu desinvestieren. Das heißt, man muss dem Unternehmen auch fairerweise, sagen wir mal, zwölf Monate geben, um zu schauen, ob der Vorstand seine Versprechungen zum Börsengang eingehalten hat. Wenn ja, dann ist es ein Erfolg. Das heißt, man sollte den Erfolg eines Börsengangs nicht vom ersten Tag abhängig machen”, so Martin Steinbach.”

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