Der Marktausblick ist weiterhin alles andere als einfach. Die mögliche Zinswende der US Notenbank Fed, bzw. deren Zeitpunkt beschäftigt Investoren seit langem. Gespannt wird die divergierende Geldmengenpolitik der wichtigen Weltwirtschaften verfolgt: expansive Tendenzen in Europa und Teilen Asiens, eine restriktive Politik in den USA. Die Frage nach der kurzfristigen Entwicklung der chinesischen Wirtschaft hat den Kursverlauf der wichtigsten Indizes in den letzten Wochen bzw. Monaten geprägt. Und in einer kleinen Erholungsphase der Aktienmärkte trifft dann der Abgasskandal von VW die Börsen. Die Aktie von WV bricht ein und reißt die Kurse anderer Automobilindustriewerte bzw. Unternehmen, die mit der Automobilindustrie in Verbindung gebracht werden, mit nach unten.

Die Verunsicherung der Investoren wird immer größer, und das in einem Gesamtumfeld, das eigentlich keineswegs gegen Aktien spricht. An den niedrigen Zinsen wird sich voraussichtlich nicht so schnell etwas ändern, ebenso wenig an den niedrigen Rohstoffpreisen. Veranlagungsalternativen sind absolute Mangelware. Das Umschichten in Cash kommt vielleicht kurzfristig in Frage, mittel- bis langfristig wohl aber kaum. Attraktiven Dividenden können sich Investoren auf Dauer nicht entgehen lassen. Hohe Dividendenrenditen bleiben daher das stärkste Argument für Aktien.

Während internationale Indizes in der ersten Jahreshälfte neue Höchststände erreichen konnten, verlief der Kurs des ATX eher schleppend. Das Interesse internationaler Investoren am österreichischen Leitindex ist maximal als verhalten zu bezeichnen. Und so sind österreichische Aktien im internationalen Vergleich nach wie vor moderat bewertet.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des ATX liegt momentan bei 12x, das ist zwar der langjährige Durchschnitt, allerdings wird dabei das aktuelle Niedrigzinsumfeld nicht miteingepreist. Bei einem KGV von 12 % beträgt die von Investoren geforderte Rendite mehr als 8 %. Abzüglich der aktuellen Rendite von unter 1 % für 10-jährige Staatsanleihen, die als risikofreier Zinssatz herangezogen werden, ergibt das eine Risikoprämie von über 7 %. Und die ist deutlich höher als der langjährige Durchschnitt von knapp unter 6 %. Prognosen steigender Gewinne für österreichische Unternehmen in den nächsten Jahren, die ein weiteres Sinken des KGV implizieren, werden ebenfalls ignoriert.

Aktuell günstige Aktien in Wien sind keinesfalls eine Garantie für steigende Kurse im letzten Quartal dieses Jahres. Dazu ist die Verunsicherung der Investoren zu groß und der österreichische Markt zu klein. Auch die technische Analyse spricht derzeit nicht gerade für Aktien. Der Blick auf Aktien könnte sich dennoch lohnen. Wer jetzt einsteigt, trifft vielleicht nicht die Tiefststände, sichert sich aber eine attraktive Dividendenrendite und mittel- bis langfristiges Kurspotenzial. Und: die saisonal schwächste Periode des Jahres ist auch vorbei. Der Oktober war in den letzten 5 Jahren der stärkste Monat für Aktien. „Remember to come back in October“?


Autor:
Christoph Schultes, MBA, CIIA
Chief Analyst
Erste Group Bank AG
1. Oktober 2015

Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Analysten wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.

Seminar-Tipps