Seit dem Kurstief der Finanzkrise im März 2009 haben globale Aktienmärkte mehr als 180 % Ertrag (in EUR) abgeworfen. Das entspricht einer jährlichen Performance von mehr als 20 % bei geringer Volatilität. Das globale Niedrigzinsumfeld hat zu einer Jagd nach Rendite geführt und Investoren haben Schritt für Schritt das Aktienrisiko erhöht. Die Zeiten niedriger Bewertungen liegen hinter uns. Sowohl mit aktuellen als auch geschätzten Gewinnen betrachtet, liegen Kennzahlen wie Kurs/Gewinn- oder Kurs/Buchwert-Verhältnis heute im leicht überbewerteten Bereich.

Historische Analysen zeigen, dass Überbewertungen im letzten Drittel des Bullenmarktes durchaus üblich sind. Aktienkurse können sich temporär sogar sehr weit von fundamentalen Daten entfernen. Die aktuelle Konsens-Markterwartung ist eine optimistische: niedrige Zinsen gepaart mit positiven Wachstumsraten und geringer Inflation bieten eine gute Basis für weitere Aktienkurssteigerungen.

Je länger ein Bullenmarkt anhält, desto mehr tendieren Investoren dazu die immer gleichen Fehler zu machen: sie laufen vergangener Performance hinterher, erhöhen Risiken und übersehen oder unterschätzen Warnsignale. Als jüngstes Beispiel dient die Entwicklung in China in den letzten Wochen. Während alle Augen auf Griechenland gerichtet waren, ist der lokale chinesische Aktienmarkt um mehr als 30 % eingebrochen. Das entspricht einer Marktkapitalisierung von ca. 1/3 des chinesischen BIP oder aber 10 mal (!) der des griechischen BIP. Dieser Mini-Crash wurde als temporäres Ereignis abgetan. Ein Zeichen dafür, dass der Bullenmarkt bereits weit vorangeschritten ist. Für Investoren ist es an der Zeit wieder verstärkt die Aufmerksamkeit auf extreme Events wie dieses zu richten und ggf. Risiko in Portfolios zu reduzieren oder Gewinne abzusichern.

Österreichische Aktien in diesem Kontext

Der ATX ist aufgrund der vergleichsweise schwachen Entwicklung der letzten Jahre einer der wenigen Indizes in der entwickelten Welt, die noch nicht überbewertet sind. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,6 und einem Kurs-Buchwert von sogar unter 1 ist er auch innerhalb Europas einer der günstigsten. Gerade im letzten Drittel des Bullenmarktes bietet ein derartiger Bewertungsvorteil Outperformancepotenzial gegenüber teurer bewerteten europäischen Peers. Der ATX befindet sich mit seiner Entwicklung noch am Ende des zweiten Drittels des Bullenmarktes und hat daher Aufholpotenzial.


Autorin:
Mag. Erika Karitnig
Leiter/Head of Equities & Multi Assets
BAWAG P.S.K. INVEST GmbH
23. Juli 2015

Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Analysten wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.

Seminar-Tipps